Udo Walendy: Bild 'Dokumente' für die Geschichtsschreibung?
Verlag für Volkstum und Zeitgeschichtsforchung, Vlotho (Weser) 1973



[Seite 20] „Russische Frauen müssen sich vor der Vergasung entkleiden”. Mit diesem Bildtext erscheint diese „Originalfotografie” in R. Schnabel „Macht ohne Moral” S. 480, Erscheinungsjahr 1957, Frankfurt/M.

Es handelt sich hierbei in Wirklichkeit um eine reine Zeichnung, die das Bemühen kenntlich macht, möglichst undeutlich zu sein hinsichtlich alter nachprüfbaren Indizien. Die Lichtreflexe sind völlig wahllos und mit Ausnahme der Unterhose im Vordergrund ohne Schattierungsübergänge. Schwarz-weiße Farbübergänge insbesondere bei der am Boden liegenden „Wäsche”, den Uniformen, Armbinden und Gesichtern der „Wachmannschaften” sind grundsätzlich unnatürlich. Das rechte Bein der sitzenden Frau (links im Bild) steht etwas schräg zur Erde. Zwei „Wäschestücke” liegen zwischen den Beinen. Auf Bild S. 21 hat das Bein plötzlich eine andere Stellung eingenommen.

[Seite 21] „Polnische Einwohner vor der Erschießung durch SS-Mörder” Mit diesem Bildtext veröffentlicht in „SS im Einsatz — Eine Dokumentation über die Verbrechen der SS” Berlin-Ost 1957 S. 536

Bild S. 21 — wie auch alle anderen Bilder kommunistischen Ursprungs — zeigt diesmal die sitzende Frau mit angewinkeltem Bein, einen Soldaten mit Zigarette. Der Deckungsvergleich von Vergrößerungen — auch vorgenommen mit Bild S. 22 — weist nach, daß hier Malerei vorliegt und perspektivische Veränderungen grundsätzlicher Art vorgenommen worden sind. Die Ebene ist wiederum zu hoch gekantet, gleichermaßen sind die Soldaten im Hintergrund erneut zu groß.

Statt „russische” also „polnische” Einwohner. Statt „Vergasung” also „Erschießen”.

[Seite 22] „Die Gestapo brachte Frauen und Kinder zum Erschießen”. Mit diesem Bildtext (statt „Vergasung” also „Erschießen”) veröffentlicht im „ungewöhnlich reichhaltigen Bild- und Dokumentenmaterial von großem historischen Wert” (lt. Vorwort) in K. Zentner „Illustrierte Geschichte des Zweiten Weltkrieges”, S. 490; Erscheinungsjahr 1963, München, Südwest Verlag Neumann KG. Der Klappentext vermerkt: „Klare Bilder vom Geschehen an den einzelnen Fronten... Nichts wird beschönigt, nichts verschwiegen, nichts verfälscht”. 1964, ein Jahr später also, weiß man es noch genauer: „Massenexekution von Frauen in Lijepaja in Lettland”. Mit diesem Bildtext übernommen von „Das Dritte Reich — Seine Geschichte in Texten, Bildern und Dokumenten”, herausgegeben von H. Huber, A. Müller unter Mitwirkung von Prof. W. Besson, Bd. II, Verlag Kurt Desch, München, Wien, Basel, 1964, S. 523. Gleichermaßen veröffentlicht in G. Schoenberner in „Der gelbe Stern” Rütten- und Loening Verlag S. 96. „Jüdinnen beim Entkleiden vor der Hinrichtung. Keine Brutalität zu gering...” Mit diesem Bildtext in „Der Spiegel” Nr. 53/1966 S. 48.

Bild S. 22 ist verbessert, aber nicht minder fehlerhaft.

Auch in dieses Büchern wird der Zeitpunkt nicht genannt. Der Bildtext ist auf Anhieb nachweislich falsch: Liepaja (lettisch) ist Libau, eine Stadt von damals 57 000 Einwohnern, die zweitgrößte Stadt Lettlands. Die Gegend auf dem Bild dagegen weist aus, daß es sich jedenfalls nicht um eine Stadt handeln kann.

Das Bild ist eine Fotomontage, die auf das früher veröffentlichte Vergleichsbild (S. 20) zurückgeht. Besteht doch keine Veranlassung, ein besseres Bild in ein schlechteres zu retuschieren und das schlechtere sechs Jahre früher zu veröffentlichen. Kein einziges Kleidungsstück ist zu spezifizieren. Man vergleiche das „Kleidungsstück” am rechten Fuß der stehenden Frau — insbesondere den rechten Zipfel — mit dem anderen Bild und versuche zu enträtseln, auf welchem Untergrund es liegt. Ein Bild, des genau die einzelnen Falten der Hose der Frau zeigt, müßte auch deutliche Einzelheiten dicht neben dem Fuß erkennen lassen, was jedoch nicht der Fall ist. Der „Bewacher” links der stehenden Frau erscheint erstmals im Bild, wenn auch in der Kopfgegend ohne Konturen, was fototechnisch nicht erklärbar ist, da rechts und links davon Lichtreflexe wirksam sind, jedoch dann besonders auffällt, wenn das ältere Vergleichsbild danebengehalten wird. Das „Gewehr” links vom Kopf der stehenden Frau erscheint erstmals. Die weiße, auch zu große Armbinde auf dem rechten statt linken Arm, wie die anderen „Bewacher” sie tragen, ist ein zusätzlicher Formfehler. Die Frau links im Bild zieht sich ein Kleidungsstück aus, das es gar nicht gibt.




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